Safety First?!

Positionen und Meinungen qualifizierter Minderheiten erhalten bei heutigen Formen moderner Endlager-Politik besondere Aufmerksamkeit. Sie sind einerseits als Frühwarnsystem von Expertendissens zu verstehen, der wohl begründet ist. Aber sie verweisen häufig auch auf bedenkenswerte Positionen einzelner beteiligter Gruppen und Betroffener, die an den Entscheidungen beteiligt sind. Entsprechend wird dieser Dissens in hochwertigen Verfahren zu Risikoanlagen wie einem Tiefenlager inzwischen häufig sorgfältig behandelt. Seine mehr oder weniger starke Berücksichtigung bei Entscheidungen wird in der Regel gut dokumentiert.

Der Schweizer „Sachplan Geologische Tiefenlager“ beschreibt den etappierten Prozess der Suche nach einem geeigneten Standort für ein Atommüllendlager. Aufgrund der geografischen Nähe von 4 von 6 möglichen Standortregionen zu Deutschland wurden einzelne grenznahe deutsche Gemeinden in den Perimeter der „weiter betroffenen Kommunen“ aufgenommen. Vertreter von Landkreisen und Gemeinden sind im regionalen Partizipationsverfahren sowie in diversen Fachgremien am Prozess beteiligt.

Im Zuge der aktuellen zweiten Etappe des Sachplans sind – nicht nur auf deutscher Seite – immer wieder Fragen im   Bereich der Sicherheit aufgetaucht, die bisher für wichtige Beteiligte nicht zufriedenstellend beantwortet wurden. Dies gilt für die geologische und bautechnische Sicherheit gleichermassen wie für die Betriebssicherheit und bis hin zur Langfristsicherheit. Geht es um die Sicherheit des Tiefenlagers, impliziert dies letztlich die Sicherheit und den vorsorglichen Schutz der Bevölkerung vor negativen Auswirkungen des Tiefenlagers. Jede richtungsweisende Entscheidung muss daher vor diesem Hintergrund getroffen werden.

Gerade bei wissenschaftlich-technischen Debatten besteht nicht immer Einigkeit unter den Experten – es gibt schließlich nicht nur eine Wahrheit. Diese manchmal nicht aufzulösende Uneinigkeit wäre dann hinzunehmen, wenn ein vernünftiger und transparenter Umgang mit den Meinungen gewährleistet wäre, die nicht dem Mainstream entsprechen. Eine sorgfältige und hochwertige Prüfung der verschiedenen Positionen wäre daher Voraussetzung.

Die Deutsche Koordinationsstelle Schweizer Tiefenlager (DKST) hatte für den 17.01.2013 zu einer Diskussionsveranstaltung eingeladen, bei der der Umgang mit Mindermeinungen oder in den Entscheidungsgremien nicht mehrheitsfähigen Sicherheitsfragen im Vordergrund standen. Namhafte Wissenschaftler, die sowohl in der Schweiz wie auch in Deutschland ihre Erfahrungen mit Minderheitenpositionen gemacht haben, berichteten darüber, wie sie als Experten in den Diskursen wahrgenommen wurden und wo die Chancen und Grenzen von kritischen Meinungen in einem hochwertigen Standortauswahlverfahren liegen.
Ausgehend von den persönlichen Erfahrungen der Referenten wurde eine sachliche-konstruktive Diskussion geführt, die einen prüfenden Blick auf die Entscheidungen im Schweizer Sachplanverfahren ermöglicht hat.