Strahlende Abfälle und Trinkwasser: Ein ewiger Streit?

„Einige Standortareale liegen nahe am Rhein und der Aare.“ Mit dieser Beobachtung kann man schon zur Frage kommen, ob die oberirdischen Bauwerke eines Endlagers, in denen die strahlenden Abfälle in Lagerbehälter eingeschlossen und von denen aus sie nach unten transportiert werden sollen, „nicht ausserhalb des Wirkungsbereiches der beiden Flüsse vorgesehen werden sollten“ – so jedenfalls der Schluss des BAFU (Bundesamt für Umwelt), gezogen in einer Stellungnahme im Jahr 2015.

Offensichtlich, wer so fragt, fordert eigentlich zu etwas auf: Nämlich durch kluge Wahl von Standorten Vorsorge zu treffen, um mögliche Schäden durch Ereignisse, die eigentlich nicht geschehen dürfen, wo nicht zu vermeiden, so wenigstens zu begrenzen, falls sie eben doch eintreten. Dieser Gedanke aber – so einleuchtend er ist – wird bekämpft. Warum? Dazu diese Geschichte …

Die Sorge ums Trinkwasser begleitet die Schweizer Standortsuche von Beginn an. Seitdem es darum geht, in den Standortregionen mögliche Plätze für die benötigten oberirdischen Bauten und Anlagen zu finden, stehen Gefährdungen durch Radioaktivität im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Risiken für die Trinkwasserversorgung, die von einem Tiefenlager ausgehen können, gehören zu jenen Befürchtungen, die Besucher von Infoveranstaltungen am häufigsten ansprechen. Die Bevölkerungsbefragungen der Gesellschaftsstudie, die im Auftrag der Kantone 2015 bzw. 2017 durchgeführt wurden, zeigen interessante Dringlichkeiten von Risiken, wie sie die Menschen bewegen: Am häufigsten wurden allgemeine Gefahren durch Radioaktivität genannt, wenn gezielt nach Argumenten gegen ein Tiefenlager in der eigenen Region gefragt wird. Die Angst vor Unfällen führt die Liste an, sie wird regelmäßig von mehr als der Hälfte der Befragten geteilt. Diese Risiken werden wahrgenommen als vage, undefinierte, aber gleichwohl bedrohliche Möglichkeiten. Geht es aber darum, Sorgen zu konkretisieren, wird von der Mehrheit das Grundwasser genannt, das verseucht werden könnte: Eine Angst, die zwischen 43 und 45 Prozent der Befragten teilen. Alle anderen denkbaren negativen Folgen (Werteverlust von Immobilien, Absatzmalus für die Landwirtschaft, Landschaftsschutz, Bevölkerungsrückgang etc.) erscheinen nachgeordnet.

Welche Antworten hat nun die Standortsuche diesen gesellschaftlichen Wahrnehmungen, Befürchtungen und Erwartungen gegeben? Um es kurz zu sagen: Man hat versucht, all diese Einwände und Bedenken auszuräumen. Bereits im August 2013 legte die Nagra Standortunabhängige Betrachtungen zur Sicherheit und zum Schutz des Grundwassers vor (NTB 13-01). Als Projektandin kommt die Nagra zur Einschätzung, dass eine Oberflächenanlage „bezüglich Sicherheit und Schutz des Grundwassers grundsätzlich als bewilligungsfähig“ anzusehen sei. „Eine Gefährdung des Grundwassers während Bau und Betrieb der Anlagen kann vermieden werden. Eine Oberflächenanlage stellt bei geeigneten Bedingungen auch im Gewässerschutzbereich Au keine besondere Gefährdung für das Grundwasser dar.“

Der NTB 13-01 als generische Untersuchung der Nagra wurde von den zuständigen Bundesbehörden geprüft und stieß auf Einverständnis. Insbesondere das BAFU als für den Gewässerschutz zuständiges Fachamt des Bundes attestierte die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit einer OFA auch im Au – vorbehaltlich allerdings einer abschließenden Beurteilung im Rahmen des förmlichen Bewilligungsverfahrens (UVP erster Stufe in der Rahmenbewilligung sowie UVP zweiter Stufe im Rahmen der Baubewilligung).

Das war vor der Gesellschaftsstudie mit den Meinungsumfragen, und noch ein paar Jahre drauf gab es die Vernehmlassung zur Etappe 2, in der zahlreiche Einsprachen eingingen, die Sorgen ums Trinkwasser vortrugen. Sind also irgendwelche Einsichten gereift im Widerstreit von Entsorgungsnotwendigkeit und Schutz elementarer Naturgüter? Man ahnt die Antwort. – Wie denn auch, schließlich reden manche akkurat an dem vorbei, worum es bis heute immer noch geht: Der Bericht der Nagra handelt von der Bewilligungsfähigkeit eines Projekts. Er fragt danach, wie Anforderungen des Grundwasserschutzes nach geltendem Recht umzusetzen sind, wenn ein Gesuch für ein konkretes Projekt zu stellen ist (auch wenn zum Zeitpunkt des Berichts weder spezifizierte Bauten oder Anlagen noch Standorte bekannt waren, deren eigentümliche hydrogeologische Verhältnisse in Betracht zu ziehen wären). Und so hat sich auch das BAFU nur mit der Frage befasst, ob in einem solchen Bewilligungsfall einem eingereichten Gesuch stattzugeben wäre oder nicht. Also, zugespitzt aufs Grundwasser: Darf eine OFA an einem Standort im Gewässerschutzbereich Au gebaut und betrieben werden? Eben darum geht es aber nicht.

Sondern es geht vorerst darum, Standorte zu suchen und auszuwählen, die im Gebiet eines Tiefenlagers am besten geeignet sind, um eine Oberflächenanlage und weitere Infrastrukturen zu realisieren. Die Aufgabe ist, Standortalternativen zu finden und zu vergleichen – die prima vista natürlich alle genehmigungsfähig sein sollten. Zu fragen ist also: An welchem von den möglichen Standorten soll eine OFA gebaut werden. Um hier den besten, sichersten Standort herauszufinden, muss es in der Abwägung erlaubt sein, Kriterien anzulegen, die strenger sind als das gesetzlich Vorgegebene. Von hier aus erklärt sich auch der Widerspruch, in den sich das BAFU selbst (wohl versehentlich) über die Jahre gestellt hat. Denn seine ganz oben zitierte Stellungnahme von 2015 nimmt die Standortsuche in den Blick, während die frühere Stellungnahme zum NTB13-01 von 2013 eine erste Einschätzung zum Bewilligungsfall abgibt – sozusagen im Vorgriff auf eine Prüfung, die freilich erst dann erfolgen wird, wenn alle relevanten Standorte längst gewählt, alle Alternativen somit aus dem Blick gerückt sind.

Von Paukenschlägen und wie man sie zum Verstummen bringt – ein Lehrstück

Dass die Bundesbehörden in ihrer Fixierung auf den späteren Bewilligungsfall möglicherweise daneben liegen, gab schon länger zu denken. Dass sie aber auf sehr grundsätzlicher Ebene Bundesrecht nicht richtig auslegen und anwenden, ist ein Vorwurf, der aufhorchen lassen sollte. Eben darauf laufen aber die Gutachten zweier renommierter Juristen heraus: Das Memorandum vom 18. November 2019 betreffend die Berücksichtigung von Gewässerschutzanliegen beim Erlass des Sachplans Geologische Tiefenlagerzuhanden der Fachkoordination Standortkantone (Gremium von Behördenvertretern der Kantone AG, ZH, TG und SH sowie des Landkreises Waldshut) von Heribert Rausch und das Rechtsgutachten Zum verfahrensrechtlichen Vorgehen bei der Standortfestlegung und Bewilligung der Oberflächeninfrastruktur der geologischen Tiefenlager, insbesondere der Brennelementverpackungsanlage (BEVA) von Heinz Aemisegger und Arnold Marti vom 12. November 2019 (dieses Gutachten beleuchtet prozedurale Grundsatzfragen, die sich aus dem Umstand ergaben, dass zum Beginn der 3. Etappe der Standortsuche die Möglichkeit in den Blick genommen wird, die Umverpackung der einzulagernden Brennelemente in Endlagerbehältnisse an einem anderen Ort als der OFA, mithin außerhalb einer Standortregion vorzunehmen; seine Ausführungen zur Planungspflicht des Bundes und den zu beachtenden Planungsgrundsätzen bei Projekten von erheblicher raum- und umweltbezogener Wirksamkeit berühren für die Grundwasserdiskussion wichtige Aspekte). Die Dokumente sind auf der Seite des AdK veröffentlicht:

Stellt nun eine oberirdische Anlage eines Tiefenlagers, im besondere eine heiße Zelle zur Umverpackung der Brennelemente eine „besondere Gefahr“ dar, läge sie innerhalb eines Gewässerschutzbereiches Au – ja oder nein? Rausch zeigt auf, dass den Bestimmungen der Gewässerschutzgesetzgebung nicht Rechnung getragen werden, würde behördlicherseits „die Frage nach der besonderen Gefahr in abstracto – quasi auf Vorrat –“ verneint. Sein Kommentar, darin „wäre meines Erachtens Willkür zu sehen“, ist stärkster Tobak für die mit dem Verfahren befassten Bundesbehörden.

Was hätte jetzt geschehen müssen? Immerhin stehen zwei diametral sich widersprechende Positionen zu einem zentralen Aufregerthema der nuklearen Abfallentsorgung einander gegenüber. Und immerhin kommt der Gegenwind an die Adresse der Bundesämter nicht von irgendwelchen gesellschaftlichen oder politischen Rändern, sondern von durchaus prominenten Vertretern der juristischen Elite der Schweiz. Da täte es wohl Not, die Öffentlichkeit aufzuklären und in aller Öffentlichkeit zu besprechen, wie es jetzt mit dem Gewässerschutz zu halten wäre in der Standortsuche für ein Tiefenlager am nördlichen Rand des Landes. – Nichts dergleichen bis heute!

Stattdessen ist von diversen Wendungen, wenn nicht gar Windungen zu berichten: Die Gutachter stellten ihre Resultate und Empfehlungen in der Dezembersitzung des AdK vor. Die eigentlich vorgesehene Veröffentlichung der Gutachten wurde jedoch verschoben auf zunächst unbestimmte Zeit, erfolgte dann – man muss es so sagen: – beiläufig am 14. Februar. Zwischenzeitlich gab es eine kurze schriftliche Replik des BFE und eine Antwort des Gutachters, beides verblieb intern. An Vollversammlungen der Regionalkonferenzen (vor Corona fand nur noch jene in ZNO statt, am 15. Februar) ist, Stand der Planungen am 1. August 2020, nirgends traktandiert, über die Streitfrage inhaltlich zu informieren und die wesentlichen Argumentationen zur Diskussion zu stellen.

Etwas, das in die Öffentlichkeit gehört, wird von ihr ferngehalten. Auf durchaus gekonnte, subtile Art, ohne nämlich den Geruch des Vertuschens entstehen zu lassen. Nein, eine Frage, auf die man entweder keine Antwort weiß oder die einem sonstwie ungelegen ist, befördert man am besten in die Versenkung, indem man sie ignoriert. Das scheint der eine Teil der Strategie zu sein.

Es gibt aber auch andere Kniffe: Nebenschauplätze aufzumachen und neue Wege einzuschlagen, die aus der vermeintlichen Sackgasse herausführen sollen. Und so wurde es gemacht.

Just am 14. Februar, dem Tag der Veröffentlichung der Gutachten des AdK, legte die Nagra eine Art Gegengutachten auf den Tisch. Ein mehr als erstaunlicher Vorgang: Nicht die Angegriffenen wehren sich, sondern die Projektandin und künftige Bauherrin. Dies in einem Verfahren, das sonst größten Wert legt auf Einhaltung von Rollen. Natürlich ist es das Interesse der Nagra, sowohl Standorte zu finden, die einerseits in der Öffentlichkeit nach Möglichkeit auf Akzeptanz zu stoßen vermögen, als auch Gesuche einzureichen, von denen man absehen kann, alle rechtlichen Prüfungen zu bestehen. Warum aber legt die Nagra an Stelle der Bundesbehörden aus, wie das Eidgenössische Gewässerschutzrecht zu verstehen und anzuwenden ist? Wie auch immer, sie hat sich der Dienste eines juristischen Lizentiaten versichert, der brav in Worte fasste, was die Nagra schon immer vertrat. Schon die Überschrift der Veröffentlichung zeigt Zuversicht: Oberflächenanlagen für ein Tiefenlager gefährden das Grundwasser nicht (a propos Veröffentlichung: Man versuche heute einmal, die Seite auf der Nagra-Homepage ohne diesen Link zu finden: https://www.nagra.ch/de/news/news-detail/oberflaechenanlagen-fuer-ein-tiefenlager-gefaehrden-das-grundwasser-nicht.htm ...). Und wer die Jahrestagung der Swissnuclear im Januar in Baden besucht hat, der wird noch den vehementen Ausruf des Nagra-CEO im Ohr haben, als es um etwaige Gefährdungen ging: ‚Ich garantiere ihnen, dass das nie passieren wird!‘

Das alles aber ist Rhetorik. Was zählen sollte, ist die Substanz. Was das Nagra-Gegengutachten zu bieten hat, lesen Sie am besten selbst.

Wir haben da unsere Zweifel, die in einem eigenen Dokument zur Sprache gebracht worden sind.  Wie die Nagra selbst so treffend meint: „Die Differenzen gilt es nun gemeinsam zu diskutieren.“ – Ja, es wäre schön, wir würden drüber sprechen. Aber es passiert eben nicht.

Hier nun das vorerst letzte taktische Manöver, um den Tiger Gewässerschutz im Zaun zu halten, und zwar nachhaltig: Was wir natürlich nicht sehen können ist, wie aus den Reihen der Entsorgungspflichtigen die politisch Verantwortlichen in den Standortkantonen bearbeitet und betextet werden, also vornehmlich die Regierungsräte. Feststellbar aber ist, dass zwischen den Kantonen die Einigkeit darüber brüchig geworden ist, wie mit den für heutige und künftige Trinkwassernutzungen bedeutsamen Grundwasservorkommen umzugehen ist und wie die Gewässerschutzbestimmungen und das Vorsorgeprinzip konkret für die Standortfestlegung von Oberflächeninfrastrukturen und Verpackungsanlagen anzuwenden sind. Noch am 20. September 2019 fasste der AdK einhellig einen grundlegenden Beschluss, wonach

  • der Bau einer OFA im Au, obwohl grundsätzlich möglich, vermieden werden sollte, wenn Alternativstandorte bestehen (was ausweislich Etappe 2 der Fall ist)
  • eine OFA (mit wie ohne Verpackung) grundsätzlich eine ‚gefährliche Anlage‘ darstelle, demzufolge
  • das Vorsorgeprinzip bei der Standortwahl dieser Anlagen zu berücksichtigen ist; das heißt
  • besonders bedeutende Grundwasservorkommen zu schützen sind; in den bezeichneten strategischen Interessengebieten für die Wasserversorgung, besonders über den mächtigen Grundwasserströmen der Hauptflüsse sollen solche Anlagen nicht plaziert werden.

Das hören wir heute nicht mehr so klar. Hat vielleicht etwa Heribert Rausch, immerhin als Ordinarius für Öffentliches Recht ausgewiesener Doyen des Umweltrechts in der Schweiz, mit seinen Argumenten den Gewässerschutzstreit hinaus aus der eidgenössischen Komfortzone bugsiert? Dorthin, wo man nicht mehr so einfach beim Apéro Kompromisse finden kann, so halbnasse Standorte ein paar Meter ums Eck? Aber bedeutet Recht walten zu lassen nicht eigentlich, mit Gründen um richtig oder falsch, um erlaubt oder nicht erlaubt zu ringen, um schließlich Klarheit zu gewinnen?

Jedenfalls, so scheint es (wir sind die ganze Zeit im nichtöffentlichen Raum), gab es Unsicherheiten, Zögerlichkeiten, Angst vor der eigenen Courage, was auch immer. Eine Art Vakuum, in das hinein man mit dieser Idee eines Auswegs stoßen konnte: Die Kantone sollten doch einmal ihre Fragen bezüglich Gewässerschutz zusammenstellen und den Bundesbehörden vorlegen. Das BAFU würde umfassend Antwort geben.

So geschah es. Ein Ausweg, an dessen Ende für seine Erfinder das Hoffnungsfeuer der Klärung zu locken scheint. Darauf verständigten sich Anfang März 2020 diese Parteien: die zuständigen Regierungsräte der vier Standortkantone (Martin Neukom, ZH, Stephan Attiger, AG, Carmen Haag, TG, Walter Vogelsanger, SH), das BFE, die Nagra. Wobei die Idee der Verständigung, wenigstens dem Vernehmen nach, ein Euphemismus sein dürfte.

Aber egal – was auffällt, sind wiederum ganz merkwürdige Asymmetrien: Erstens, statt einer Diskussion und womöglich Klärung sachlicher Fragen wird ein schlichtes Prozedere gebastelt, vorbei an jeder Öffentlichkeit – so, als würde das allein schon gewährleisten, dass sich Sach- und Auslegungskonflikte auf überzeugende und nachvollziehbare Weise auflösen ließen. Warum verhandeln die politischen Kantonsverantwortlichen nicht mit dem Bund auf politischer Ebene? Warum lassen sie sich stattdessen von Bundesverwaltungspersonal und Nagra in die Zange nehmen?

Zweitens gelobte man im Vorhinein, dass man sich im künftigen Prozess ‚an den Antworten des BAFU orientieren‘ wolle. (Es frage uns bitte niemand, was das bedeuten möge, denn wir wissen es nicht!) Also: Dasjenige Bundesamt, das mit dem Rausch-Memo eigentlich die Aufgabe gestellt bekam, sich mit der Möglichkeit auseinanderzusetzen, seine eigene Auslegung des Eidgenössischen Gewässerschutzrechts in Bezug aufs Tiefenlagerprojekt der Nagra entspreche nicht dessen Geist und Zweck – eben dieses Amt bekommt nun die Robe umgehängt, die dazu berechtigt, das letzte Wort zu sprechen. Schon das macht sprachlos.

Lesen wir diese vorerst letzten Dokumente im langen Streit um den Gewässerschutz, die Fragen der Kantone und das Antwortschreiben des BAFU, so fällt auf, dass das Rausch-Memo mit keinem Wort Erwähnung findet. So als existierte es nicht. Und sucht man Auskunft zu Fragen, die aufgeworfen sind, so herrscht an entscheidenden Stellen Fehlanzeige. ‚Besondere Gefahr‘ – was heißt das eigentlich? Darüber reflektiert Rausch, und man sollte meinen, sich darüber einen Begriff zu machen sei Voraussetzung dafür, überhaupt bewerten zu können, ob eine Tiefenlager-OFA gewässerschutzrechtlich eine besondere Gefahr darstelle oder nicht. Hinzu kommt, dass unter allen Oberflächeninfrastrukturen, die für ein Tiefenlager nötig sind, die OFA und die Umverpackungsanlage diejenigen Bauten sind, die am wenigstens standortgebunden sind. Sie sind wenigstens in solchen Räumen auf eine Weise flexibel anzuordnen fähig, dass es in jeder Standortregion möglich ist, geeignete OFA- und BEVA-Standorte außerhalb relevanter Gewässerschutzbereiche zu finden und festzulegen.

Das könnte man endlich tun, ohne dass einer Bundesbehörde ein Zacken aus der Krone fiele oder das Sachplanverfahren implodierte. Und die Nagra gewänne so vermutlich hinzu, was sie ohnehin am dringendsten braucht: Akzeptanz von möglichst vielen.

Stattdessen arbeiten jene, deren Aufgabe nicht Politik ist, unverdrossen daran, eine der wichtigsten Sachfragen für die Standortregionen durch Druck und Anwendung von Rhetorik und verfahrenstechnischer Kniffe restlos zu verpolitisieren. Als ginge es für irgendwen um gewinnen oder verlieren. Die leitenden Motive und Interessen bleiben wie üblich ungesagt, sind aber nicht schwer zu begreifen. Ob der eingeschlagene Weg aus der Sackgasse nicht neuerlich in einem Holzweg endet, bleibt offen.

 

Waldshut, 3. August 2020

Martin Steinebrunner, DKST