ENSI-Fazit für Etappe 3:

ENSI-Fazit für Etappe 3: Alle 3 HAA-Standortgebiete an der Landesgrenze bleiben in der Auswahl!

Ginge es nach der Nagra, kämen von den ursprünglich sechs in Betracht gezogenen Standortgebieten für radioaktive Abfälle nur noch zwei in Frage: das Zürcher Weinland (Standortgebiet Zürich Nordost) und der Bözberg (Standortgebiet Jura Ost). Diesen Einengungsvorschlag legte die Nagra Anfang des Jahres 2015 vor, begründet mit mehrtausendseitigen wissenschaftlichen Untersuchungen (vgl. den Technischen Bericht NTB 14-01 und die mit ihm veröffentlichten Dokumente). Ein solcher Auswahlschritt – eben deswegen 2x2-Vorschlag genannt, weil für die beiden Abfallkategorien SMA und HAA mindestens je zwei weiterhin untersuchungswürdige geologische Standortgebiete benannt werden sollten – ist vom Sachplan Geologische Tiefenlager für die Standortsuche der Schweiz als Zwischenergebnis in der laufenden Etappe 2 vorgesehen. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI hat seitdem – neben (und unabhängig von) anderen Behörden und Fachstellen, darunter auch die deutsche Expertengruppe Schweizer Tiefenlager (ESchT) – die Aufgabe, das vorgelegte Material und die Stichhaltigkeit der Argumentationen der Nagra eingehend zu prüfen. Jetzt sind die wesentlichen Resultate des ENSI mitgeteilt worden: Nördlich Lägern, das direkt am Rhein gelegene und nach dem Vorschlag der Nagra zurückzustellende Standortgebiet für SMA und HAA, soll als dritte Option in Etappe 3 vertiefend untersucht werden! Zugleich bestätigt das ENSI, dass die Zurückstellung der SMA-Gebiete Wellenberg, Jura Südfuss und Südranden wegen eindeutiger Nachteile im Vergleich zu den verbleibenden Regionen gerechtfertigt sei.

Bereits im September 2015 beanstandete das ENSI, dass die Datengrundlage nicht vollständig sei, insbesondere im Blick auf den Indikator Tiefenlage im Hinblick auf bautechnische Machbarkeit. Das Bundesamt für Energie (BFE) wies die Nagra daraufhin an, die wissenschaftlichen und technischen Grundlagen zur Beurteilung dieses Indikators nachzureichen. Die Nagra erfüllte das Petitum im Sommer 2016 mit Einreichung einer Zusatzdokumentation (vgl. NAB 16-41 und Referenzberichte): Als Ergebnis einer – nota bene von ihr selbst so bezeichneten – Abwägung hält die Nagra am Zurückstellungsvorschlag für Nördlich Lägern fest; sie geht davon aus, dass ein knapp ausreichendes Platzangebot nur in einer Tiefe von etwa 900 Metern zu realisieren sei, was einen erheblichen bautechnischen Mehraufwand bedeuten würde, und erkennt darin einen ‚eindeutigen Nachteil‘ Nördlich Lägerns gegenüber den Standortgebieten ZNO und JO. Die Nagra hat ihre Argumentation am 24. September 2016 an der 17. Vollversammlung der Regionalkonferenz Nördlich Lägern mit einer ausführlichen Präsentation zur Diskussion gestellt.

In seiner Gesamtbeurteilung wird das ENSI dagegen als Ergebnis des derzeitigen geologischen Kenntnisstands festhalten, dass alle drei möglichen HAA-Lagerstandortgebiete der Schweiz grundsätzlich geeignet seien und in Etappe 3 weiter untersucht werden sollten. Zürich Nordost, Nördlich Lägern und Jura Ost wiesen zwar je spezifische Stärken und Schwächen auf, jedoch keine ‚eindeutigen Nachteile‘ im Sinne der Sachplan-Methodik. Während das Problem künftiger Erosionen innerhalb des Betrachtungszeitraums von einer Million Jahre einen Schwachpunkt bei den Standortgebieten ZNO und JO darstelle, sei für Nördlich Lägern die Frage der Zugangsbauwerke charakteristisch, also die erforderliche größere Tiefenlage bei zugleich höherem Wasserdruck im Gestein. Zu beachten ist, dass das ENSI in seiner Auseinandersetzung mit dem 2x2-Vorschlag keinen Nachweis führt, dass die Argumentation der Nagra zu Nördlich Lägern falsch sei; vielmehr beurteilt das ENSI gerade deren Vorgehensweise ‚bei der Überarbeitung der geomechanischen Grundlagen und Unterlagen […] als zielführend‘, gleichwohl sei der geowissenschaftliche Kenntnisstand zum derzeitigen Stand des Verfahrens nicht hinreichend, um die geologischen Verhältnisse im Standortgebiet Nördlich Lägern belastbar so zu bewerten, dass eine Zurückstellung begründbar wäre. Wie vom ENSI betont wird, können durch die anstehenden erdwissenschaftlichen Untersuchungen für Etappe 3 (3D-Seismik und Probebohrungen) diese Ungewissheiten reduziert und belastbare neue und aussagekräftige Daten gewonnen werden. – Das Standortgebiet Nördlich Lägern bleibt bis dahin, um es salopp zu formulieren, kein angeschlagener Zählkandidat. Vielmehr erscheinen aus heutiger Sicht alle drei Optionen, die der Schweiz damit in unmittelbarer Nähe Deutschlands zur Lösung des nationalen nuklearen Entsorgungsproblems offen stehen, als gleichermaßen valable Standorte.

Das Gutachten des ENSI zum 2x2-Vorschlag der Nagra befindet sich derzeit noch in der internen Endredaktion; es soll im April 2017 zur Veröffentlichung kommen.

Nachtrag

Weitere Informationen sind nun auf der Webseite des ENSI sowie des BFE verfügbar: 

(inkl. Video-Interview mit ENSI-Direktor Hans Wanner)

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